Difference(s) between text #2286 and text #120295
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1 | 1 | Ich sa | Ich sass vor eines Tempels Halle |
2 | 2 | Am Musenha | Am Musenhayn, |
3 | Umrauscht vom nahen Wasserfalle, | ||
3 | 4 | Im sanften Abendschein. | Im sanften Abendschein. |
4 | 5 | Kein Lüftchen wehte; und die Sonn' im Scheiden | Kein Lüftchen wehte; - und die Sonn' im Scheiden |
5 | 6 | Vergüldete die matten Trauerweiden. | Vergüldete die matten Trauerweiden. |
6 | 7 | ||
7 | 8 | Still sinnend sa | Still sinnend sass ich lange da, |
8 | 9 | Das Haupt gestü | Das Haupt gestüzt auf meine Rechte. |
9 | 10 | Ich dachte Zukunft und Vergangenheit | Ich dachte Zukunft und Vergangenheit; und sah |
10 | 11 | Auf einem Berg, dem Thron der Götter nah, | Auf einem Berg, dem Thron der Götter nah, |
11 | 12 | Den Aufenthalt vom heiligen Geschlechte | Den Aufenthalt vom heiligen Geschlechte |
12 | 13 | Der Sänger alt' und neuer Zeit, | Der Sänger alt' und neuer Zeit, |
13 | 14 | An deren Liede sich die Nachwelt noch erfreut. | An deren Liede sich die Nachwelt noch erfreut. |
14 | 15 | Tot, unbemerkt, und längst vergessen schliefen | Todt, unbemerkt, und längst vergessen schliefen |
15 | 16 | Fern in des Tales dunkeln Tiefen | Fern in des Thales dunkeln Tiefen |
16 | 17 | Die Götzen ihrer Zeit, | Die Götzen ihrer Zeit, - |
17 | 18 | Im Riesenschatten der Vergänglichkeit. | Im Riesenschatten der Vergänglichkeit. |
18 | 19 | ||
19 | 20 | Und langsam schwebend kam aus jenem dunkeln Tale, | Und langsam schwebend kam aus jenem dunkeln Thale, |
20 | 21 | Entstiegen einem morschen Heldenmahle, | Entstiegen einem morschen Heldenmahle, |
21 | 22 | Je | Jezt eine düstere Gestalt daher, |
22 | 23 | Und bot (in | Und bot (indem sie wie von ohngefähr |
23 | 24 | Vorüberzog) in einer mohnbekränzten Schale | |
24 | 25 | Aus Lethes Quelle mir Vergessenheit! | Aus Lethe's Quelle mir - Vergessenheit! |
25 | 26 | ||
26 | 27 | Betroffen, wollt ich die Erscheinung fragen: | Betroffen, wollt' ich die Erscheinung fragen: |
27 | 28 | Was dieser Trank mir nützen soll? | Was dieser Trank mir nützen soll? .. |
28 | 29 | Doch schon war sie entflohn: ich sah's mit stillem Groll | Doch schon war sie entflohn: ich sah's mit stillem Groll; |
29 | 30 | Denn meinen Wünschen konnt' ich nicht entsagen. | Denn meinen Wünschen - konnt' ich nicht entsagen. |
30 | 31 | ||
31 | 32 | Da kam in frohem Tanz, mit ze | Da kam in frohem Tanz, mit zefyrleichtem Schritt, |
32 | 33 | Ein kleiner Genius gesprungen | Ein kleiner Genius gesprungen, |
33 | 34 | Und winkt und rief mir zu: Komm mit | Und winkt' und rief mir zu: "Komm mit! |
34 | 35 | Entreisse dich den bangen Dämmerungen | Entreisse dich den bangen Dämmerungen, - |
35 | 36 | Sie trüben selbst der Wahrheit Sonnenschein! | Sie trüben selbst der Wahrheit Sonnenschein! |
36 | 37 | Komm mit! Ich führe dich in jenen Lorbe | Komm mit! Ich führe dich in jenen Lorberhayn, |
37 | 38 | Wohin kein Ungeweihter je gedrungen. | Wohin kein Ungeweihter je gedrungen. |
38 | 39 | Ein unverwelklich schöner Dichterkranz | Ein unverwelklich schöner Dichterkranz |
39 | 40 | Blüht dort für Dich im heitern Frühlingsglanz | Blüht dort für Dich im heitern Frühlingsglanz, |
40 | 41 | Mit einem Myrtenzweig umschlungen. | Mit einem Myrthenzweig umschlungen." |
41 | Er sprach's, und ging mir schnell voran. | ||
42 | Ich folgte, voll Vertrauen, dem holden Jungen, | ||
43 | Beglückt in meinem süßen Wahn. | ||
44 | 42 | ||
45 | 43 | E | Er sprach's, und ging nun schnell voran. |
46 | 44 | I | Ich folgte, voll Vertraun, dem holden Jungen, |
47 | 45 | Beglückt in meinem süssen Wahn. | |
46 | |||
47 | Es herrschte jezt die feyerlichste Stille | ||
48 | Im ganzen Hayn. Das lang-ersehnte Ziel, | ||
49 | Hellschimmernd sah ich's schon in ferner Schattenhülle, | ||
48 | 50 | Und stand, verloren ganz im Lustgefühl. | Und stand, verloren ganz im Lustgefühl. |
49 | 51 | "Nimm" (sprach er | "Nimm" (sprach er izt) "es ist Apollons Wille; |
50 | 52 | Nimm hin dies goldne Saitenspiel! | Nimm hin diess goldne Saitenspiel! |
51 | 53 | Es hat die Kraft in schwermutsvollen Stunden | Es hat die Kraft, in schwermuthsvollen Stunden |
52 | 54 | Durch seinen Zauberton zu heilen all' die Wunden, | Durch seinen Zauberton zu heilen all' die Wunden, |
53 | 55 | Die Mi | Die Missgeschick und fremder Wahn dir schlug. |
54 | 56 | Mit zärtlich rührenden Akkorden | Mit zärtlich rührenden Akkorden |
55 | 57 | Tönt es vom Süd bis zum Norden, | Tönt es vom Süden bis zum Norden, |
56 | 58 | Und übereilt der Zeiten schnellen Flug | Und übereilt der Zeiten schnellen Flug. |
57 | 59 | Se | Sey stolz auf den Besitz! und denke: |
58 | 60 | "Von Allem, was die Götter | "Von Allem, was die Götter Sterblichen verleihn, |
59 | 61 | Ist dies das höchste der Geschenke! | Ist diess das höchste der Geschenke! |
60 | 62 | Und Du wirst es nicht entweih | Und Du - Du wirst es nicht entweihn." - |
61 | 63 | ||
64 | Ich athmete von nun an freyer; | ||
65 | Apolls Geschenk, die goldne Leyer, | ||
66 | War mein Gefährte Tag und Nacht. | ||
62 | 67 | Noch nicht vertraut mit ihrer ganzen Macht, | Noch nicht vertraut mit ihrer ganzen Macht, |
63 | 68 | Sang ich zuerst nur kleine Lieder; | Sang ich zuerst nur kleine Lieder; |
64 | 69 | Und Echo hallte laut und fröhlich wieder | Und Echo hallte laut und fröhlich wieder, |
70 | Was jedes junge Herz sich wünscht und sich verspricht. | ||
71 | |||
72 | Doch diess gefiel den Mädchen nicht, | ||
73 | Nur - schweigen, dachten sie, sey Pflicht! | ||
74 | Und hüllten tiefer sich in ihren dichten Schleyer. | ||
75 | Vielleicht, vielleicht in eigner Brust | ||
76 | Sich irgend einer Schuld bewusst, | ||
77 | Verkannten sie den Ton der Leyer! | ||
78 | Sie wähnten thöricht, ihren Bund | ||
79 | Und ihre Tändeleyn verrathen, - | ||
80 | Verrathen durch der Schwester Mund. | ||
81 | |||
82 | Ich wusste wenig, was sie thaten; | ||
83 | Und ihre Furcht war ohne Grund. | ||
84 | Was ich gedacht, was ich empfunden, | ||
85 | Und wünschenswerth im Leben fand; | ||
86 | Was in der Weihe heil'gen Stunden | ||
87 | Ich, arglos wie ich war, gestand: | ||
88 | Es war der Hang nach dem gelobten Land, | ||
89 | Wo reingestimmte, freygeschaffne Seelen | ||
90 | Sich finden, schnell verstehn und wählen, - | ||
91 | Unsichtbar an der Zauberhand | ||
92 | Der höhern Sympathie geleitet. | ||
93 | |||
94 | Diess Hochgefühl, das kein Geschick verleidet, | ||
95 | Nach welchem jede bessre Seele strebt; | ||
96 | Das von dem Thier den Menschen scheidet | ||
97 | Und himmelan zu Göttern hebt; | ||
98 | Der edelste, der reinste aller Triebe, | ||
99 | Die unschuldvolle, wahre Liebe: | ||
100 | Schien mir (mit höhern Wesen schon verwandt) | ||
101 | Des Liedes würdigster und schönster Gegenstand. | ||
102 | Klagt' ich? - so galt's dem oft gekränkten Rechte | ||
103 | Vom ganzen weiblichen Geschlechte, - | ||
104 | Nicht selten auch der Männer Unbestand'. | ||
105 | |||
106 | Drum schied ich bald aus ihrem bunten Kreise, | ||
107 | Und zog mich - in mich selbst zurück. | ||
108 | Mir bot die Einsamkeit ein stilles Glück | ||
109 | Und eine bessre, höhre Lebensweise. - | ||
110 | Da sang ich nun mit unbefangnem Sinn, | ||
111 | Bald froh, bald traurend, meinen Frühling hin. | ||
112 | |||
113 | Oft pflanzt' ich Rosen um die Trauerweide, | ||
114 | Oft um der Freundschaft theures Heiligthum | ||
115 | Vergissmeinnicht und Immergrün herum. | ||
116 | Und so ward izt ein Plätzchen dürrer Heide | ||
117 | Für mich ein irdisches Elysium. | ||
118 | |||
119 | Bedrohte gleich die Ebb' und Fluth des Lebens | ||
120 | Mich oft in meiner Ruhe Port: | ||
121 | Mich zog der Strom der Welt vergebens | ||
122 | In seinem Wirbelkreise fort. | ||
123 | Sanft schwebte hin mein leichter Nachen; | ||
124 | Der Sturm der Leidenschaften schlief; | ||
125 | Und meine hochentzückte Seele rief: | ||
126 | "Ist dieses Glück ein Traum, so will ich nie erwachen!" | ||
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128 | ----- | ||
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130 | Ach! kurz war meine Seligkeit! .. | ||
131 | Denn nur zu bald begann des Lebens innrer Streit. | ||
132 | Gewitter kamen nun herangezogen, | ||
133 | Und kraftlos blieb der Lyra Zaubermacht. | ||
134 | Schon tobten rings um mich die aufgeregten Wogen; | ||
135 | Die Donner rollten, - Blitze flogen | ||
136 | Hin durch der Wolken finstre Nacht. | ||
137 | Weh meiner Gartenflur! die mir so hold gelacht, | ||
138 | Die ich so liebend mir mit Sorgfalt auferzogen! | ||
139 | |||
140 | Doch selbst in diesem Kampf der Elemente lag | ||
141 | Für mich ein neuer Schöpfungstag. | ||
142 | Der grause Sturm, die wild-empörten Wellen, | ||
143 | Statt meinen frey-hinwankend leichten Kahn | ||
144 | An schroffen Felsen zu zerschellen, | ||
145 | Erhoben ihn nur immer mehr hinan | ||
146 | Zu jener hohen Sänger Sternenbahn. | ||
147 | |||
148 | Bald war das schwarze Sturmgewölk verflogen, | ||
149 | Und freundlich zeigte sich der milde Friedensbogen | ||
150 | Am neu-erhellten Horizont. | ||
151 | Zwey Blumen, die der Götter Zorn verschont, | ||
152 | Erhoben izt ihr mattes Haupt, - und sogen | ||
153 | Erquickt den Thau des Himmels ein. | ||
154 | Sie glänzten sanft, in traulichem Verein, | ||
155 | Verschönert durch der Farben Widerschein, - | ||
156 | Als sagten sie: "Nun sind die Götter dir gewogen!" | ||
157 | |||
158 | Der Freundschaft liebliches Vergissmeinnicht, | ||
159 | Das so bedeutungsvoll zum Herzen spricht, | ||
160 | Bescheiden barg es sich im kühlen dunkeln Moose. | ||
161 | Die tausendblättrige, vom Dorn beschützte Rose, | ||
162 | Das Sinnbild reiner Zärtlichkeit, | ||
163 | Sie blühte fort in stiller Sicherheit, - | ||
164 | Entrückt dem lauen Westgekose, | ||
165 | Sich selber unbewusst, (ein Kind der Flur!) | ||
166 | Noch unbekannt mit ihrem seltnen Loose, | ||
167 | Und kaum bemerkt, im Schoosse der Natur. | ||
168 | So reifte sie, der Tugend einst zum Lohne, | ||
169 | Als Preis für Treu und Redlichkeit, | ||
170 | Als Kleinod für die Siegerkrone, | ||
171 | Dem Würdigsten der Sterblichen geweiht. | ||
172 | |||
173 | ----- | ||
174 | |||
175 | An einem schwülen Sommertage, | ||
176 | Ertönte lauter meine Klage: | ||
177 | |||
178 | "In Deinem Tempel fleh' ich hier, | ||
179 | Apoll! Du holder Gott der Sonne! | ||
180 | Nimm Dein Geschenk zurück! .. Die Wonne, | ||
181 | Die es mir schuf, verdank' ich Dir. | ||
182 | Es hat mich dulden oft gelehret, | ||
183 | In Stürmen meinen Muth bewähret, | ||
184 | In Leiden meine Kraft gestählt, - | ||
185 | Den müden Geist in harten Proben | ||
186 | Zu neuer Thätigkeit erhoben, | ||
187 | Mich froh mit Jugendlust beseelt. - | ||
188 | Die schöne, feine Welt, um sich an mir zu rächen, | ||
189 | Hiess meine Lieder - Schwärmereyn! | ||
190 | Und, Deinem Dienste mich zu weihn, | ||
191 | Ein unverzeihliches Verbrechen! - - | ||
192 | Nicht achtend ihrer Klügeleyn, | ||
193 | Liess ich mein Herz allein nur sprechen, | ||
194 | Und folgte meinem Genius. | ||
195 | Des Glückes Gunst, - früh lernt' ich sie entbehren; | ||
196 | (Beglückt durch Selbstgefühl und mässigen Genuss, | ||
197 | Vom Mangel fern, und fern vom Ueberfluss.) | ||
198 | Ich hörte nur auf Deine Lehren; | ||
199 | Der Wahrheit lebt' ich nur, und Dir. | ||
200 | Nur Dir, Du holder Gott der Sonne, | ||
201 | Dir weiht' ich jede Lebenswonne: - | ||
202 | Gieb mir Unsterblichkeit dafür!!" | ||
203 | |||
204 | Und gütig-lächelnd hört' Er mein Begehren. | ||
205 | "Dein Wunsch ist unbesonnen zwar" | ||
206 | (Erwiedert' Er;) "doch will ich ihn gewähren: | ||
207 | Willst Du nun auch, auf die Gefahr, | ||
208 | So dich bedroht, gefasst zu seyn, mir schwören? | ||
209 | Wohlan! Als Priesterinn nehm' ich dich auf; | ||
210 | Vollende deiner Prüfung Lauf." | ||
211 | |||
212 | Es stampfte neben mir der Dichter Fluggefährte, | ||
213 | Stolz auf sein mächtig Flügelpaar, - | ||
214 | Als er Apolls Entscheidung hörte, | ||
215 | Die ihm so unerwartet war. | ||
216 | Er stuzte sehr ob dem Verlangen, | ||
217 | Dass er von mir - von mir! Befehle sollt' empfangen; | ||
218 | Dass er, der lieber stets nur Männer trug, | ||
219 | Durch eines Mädchens Hand gelenkt, im raschen Flug | ||
220 | Von einem Alter hin zum andern | ||
221 | Nun still-gehorchend sollte wandern! | ||
222 | Diess wollt' ihm gar nicht ein. - Die leichte Reiterin | ||
223 | Gab sich indess den Schwung erhöhter Fantasie'n; | ||
224 | Sah bald mit wonnigem Entzücken | ||
225 | Und bald mit bangen Forscherblicken | ||
226 | In das Gebiet der fernen Zukunft hin. - | ||
227 | Und rascher mit verhängtem Zügel | ||
228 | Unaufgehalten über Thal und Hügel | ||
229 | Ging's nun den steilen Klippenpfad hinan. | ||
230 | |||
231 | In dieser ernsten Prüfungsstunde wallten | ||
232 | Zwar tausend trügrische Gestalten | ||
233 | Umher auf meiner kühnen Bahn. | ||
234 | Hier lockt, als Freundschaft, - die Sirene! | ||
235 | Dort schielt der Neid und fletscht die Zähne; | ||
236 | Da knirscht die Eifersucht sich müd' und stumpf; | ||
237 | Und hier entsteigt dem schilfbewachsnen Sumpf | ||
238 | Ein Irrlicht, um uns falsch zu leiten; - - | ||
239 | Doch niemahls liess mein Genius mich gleiten. | ||
240 | |||
241 | Dies dank' ich ihm mit innigem Gefühl! | ||
242 | Er führte, trotz so manchem rauhen Winde, | ||
243 | Mich unerschrocken bis an's Ziel, | ||
244 | Durch tausend ungangbare Dorngewinde, | ||
245 | Zu jener feyrlich ernsten Brücke hin, | ||
246 | Wo die Jahrhunderte vorüberziehn. - | ||
247 | |||
248 | ----- | ||
249 | |||
250 | Ein unverständliches Gemurmel machte, | ||
251 | Dass ich aus diesem langen Traum erwachte. |
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