by Friedrich Martin von Bodenstedt (1819 - 1892)
Im Baumesschatten fließt die Fontäne
Language: German (Deutsch)
Im Baumesschatten fließt die Fontäne, Des Berges ewige Freudenthräne. Ein Stein steht am Orte, Draus das Wasser trieft, Drauf liest man die Worte Golden vertieft: "Plätschernd hell Springt der Quell Zwischen duftender Blüthe Aus dem Berge, dem steinigen, Wie ein Strom der Güte Allah's, des Einigen. Wanderer, den er erquickt, Danke Dem, der ihn geschickt!" Bei der Fontäne macht die Karawane halt. Eh' der Reiter sich labt, tränkt er das Thier das ihn trägt. Die Diener sammeln Reiser, machen Feuer, das bald Unterm Kessel in knisternden Flammen schlägt. Die Andern strecken die müden Glieder Auf weichem Teppich zur Ruhe nieder. Derweilen die Diener Pillaw kochen Von Hammelkeulen und vom Mark der Knochen; Dazu wird von Reis bereitet ein Teig, Der umschließt die Stücke des Fleisches weich. Und, eh' man die Schüssel zum Speisen beut, Wird der Pillaw mit gelbem Safran bestreut. Aber das Hammelfleisch vom Rücken Zertheilen die Diener zu kleinen Stücken, Ziehn solche auf Drähte über den Rost, Und bereiten daraus eine würzige Kost. Und immer wird Frisches gereicht, indessen Die Andern mit reinen Fingern essen Von dem Gerösteten und von dem Teig. Die Diener aber schaffen und essen zugleich. Dann waschen sich alle nach heimischer Weise, Und danken Allah für Trank und Speise. Nun, dampfend und perlend, von Mund zu Mund, Geht die Wasserpfeife im Kreise rund. "Nun sind wir gesättigt vollauf und gelabt, Nun sing uns ein Lied wer sangesbegabt!" Da Jussuf, der junge, verliebte Tatar, Mit grünseidnem Beinkleid, blautuchnem Talar, Rückt an der Mütze, der schwarzen, gekräuselten, Rollt die dunklen Augen, die langgeschlitzten, Derweil seinem Munde, dem feinen gewitzten, Leise, prüfende Töne entsäuselten, Auch die Tschengjir läßt er erst prüfend erklingen, Und beginnt dann laut zu spielen und singen: "Mit Geschenken beladen kehr' ich von Gjirdshistan, Kehre heim zur Geliebten nach Eriwan; Lange harrt sie mein, doch fern ist's ihrem Sinn, Daß ich längst auf dem Wege zur Heimat bin. Wie die Aehren des Feldes im Hauche des Windes, Wogt sehnend der Busen des lieblichen Kindes - Wie die Nacht so dunkel, wie der Tag so licht, Ist Zarema's, meiner Lieben, Gesicht! Heller Edelstein im Ringe meines Lebens, Anfang Du, und Ende meines Strebens, Warte treu auf mich, Du wartest nicht vergebens!" Und helles Beifallgeklatsch erklang Wie Jussuf sein Lied zu Ende sang. Nur Einer unter Allen mit düsterm Sinn, Starrte schweigend vor sich zur Erde hin. Und Ali, der Rothbart vom Karabagh, Ein wilder Geselle von altem Schlag, Läßt die Saiten erklingen, Und hebt an zu singen: "Die Mädchen, die Weiber rühren mich nicht, Die Klänge der Liebe verführen mich nicht - Weit lieber mag ich zu Rosse sitzen, Wo Schwerter klirren, Geschosse blitzen, Wo der Boden dröhnt, wo die Lanzen schwanken, Dahin zieht es mein Herz, meine ganzen Gedanken! Und kommt nach der wilden Bewegung dann Dem Herzen verliebte Regung an, Da findet sich bald was das Herz begehrt, Und wird's auch mit Weinen und Schmerz gewährt." Und Alle klatschten, waren des Lobes voll, Als der Klang von Ali's Liede erscholl. Nur Einer unter Allen, in düsterer Ruh, Hatte nicht geklatscht, sprach kein Wort dazu. Da Selim, der rothgekleidete Kurde, Nahm die Tschengjir - und still es im Kreise wurde. Er trägt keine Mütze nach der Andern Art, Auch keinen Talar und keinen Bart, Nur über der Oberlippe bricht Es schwarz hervor aus dem braunen Gesicht. Auf dem Haupte ein weißer Turban ruht, Die Jacke, die Hosen sind roth wie Blut. Er prüft die Saiten, und ruhig dann Hebt er zu spielen, zu singen an: "Über Alles hoch, und über Alles schön, Und im Mund des Volkes vielgepriesen Sind die grünen Flecke auf den Bergeshöhn, Sind die duftenden Nomadenwiesen; Wo der Schnee die Berge nicht bekleidet, Wo der Kurden schwarze Zelte stehn, Wo der Hirt die fette Heerde weidet, Kecke Burschen, schlanke Dirnen gehn! Über Alles hoch, und über Alles schön, Und im Mund des Volkes vielgepriesen Sind die grünen Flecke auf den Bergeshöhn, Sind die duftenden Nomadenwiesen!" Das Lied verklang, und in Jubelgebraus Brach der Beifall der horchenden Menge aus. Nur Einer unter Allen blickte immerfort Vor sich düster zur Erde und sprach kein Wort. Der Eine, der Stumme, war ein junger Frank, Bleich war sein Gesicht, sein Wuchs war schlank, Man wußte nicht von wo er kam, Doch keinen sein Trübsinn Wunder nahm, Es schloß des blauen Auges Schein Ein ganzes Jahrhundert von Leiden ein ... "Dank Allah! Dank Allah!" - Es erhob sich der Hauf, Die Diener nahmen Speisen und Teppiche auf, Auf ihre Rosse stiegen die Reiter Und trabten weiter ... Fern, im Westen, einsam im Kämmerlein, Saß seufzend ein holdes Mägdelein. Sie wendet gen Osten den trauernden Blick: "Wo weilst Du, mein Lieber! kehrst nimmer zurück?" Und sie weint - sie reichte die Hand einem Mann Den sie nicht lieben kann ...
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Authorship:
- by Friedrich Martin von Bodenstedt (1819 - 1892), "Die Fontäne bei Istibulach" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Heinrich August Marschner (1795 - 1861), "Jussuf's Lied", op. 169 no. 8, published 1855, stanza 5 [ voice and piano ], from Orientalischer Liederschatz von Fr. Bodenstedt, no. 8, Hamburg, Böhme [sung text not yet checked]
- by Heinrich August Marschner (1795 - 1861), "Lied Alis des Rothbarts", op. 169 no. 9, published 1855, stanza 8 [ voice and piano ], from Orientalischer Liederschatz von Fr. Bodenstedt, no. 9, Hamburg, Böhme [sung text not yet checked]
- by Heinrich August Marschner (1795 - 1861), "Selim's des Kurden Lied", op. 169 no. 10, published 1855, stanzas 11-13 [ voice and piano ], from Orientalischer Liederschatz von Fr. Bodenstedt, no. 10, Hamburg, Böhme [sung text not yet checked]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
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