by Matthias Claudius (1740 - 1815)
Phidile
Language: German (Deutsch)
Ich war nur sechszehn Sommer alt, Unschuldig, und nichts weiter, Und kannte nichts als unsern Wald, Als Blumen, Gras und Kräuter; Da kam ein fremder Jüngling her; Ich hatt ihn nicht verschrieben, Ich wußte nicht wohin, woher; Der kam, und sprach von Lieben. Er hatte schönes langes Haar Um seinen Nacken wehen; So einen Nacken, als der war, Hab ich noch nie gesehen! Sein Auge, himmelblau und klar, Schien freundlich was zu flehen; So blau und freundlich, als das war, Hab ichs noch nie gesehen! Und sein Gesicht - wie Milch und Blut, Nie hab ichs so gesehen; Und was er sagte, war sehr gut, Nur konnt ichs nicht verstehen. Er gieng mir allenthalben nach, Und küßte mir die Hände; Bald seufzt er: O! bald seufzt er: Ach! Und drückte sie behende. Ich sah ih oftmals freundlich an, Und fragte, was er meynte, Da fiel der junge schöne Mann Mir um den Hals, und weinte - Das hat mir keiner noch gethan, Doch war mirs nicht zuwider, Und meine beyden Augen sahn Auf meinen Busen nieder. Ich sagt ihm nicht ein einzigs Wort, Als ob ichs übel nähme, Kein einzigs - und er flohe fort! - Wenn er doch wieder käme!
Confirmed with Musenalmanach MDCCLXXII. Göttingen bey J.C.Dieterich, pages 77-79.
This is the initial version of Claudius' poem Phidile.
Authorship:
- by Matthias Claudius (1740 - 1815), "Phidile", subtitle: "Eine Romanze", first published 1771 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
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Set in a modified version by Joseph Martin Kraus, Othmar Schoeck, Franz Peter Schubert, Josef Antonín Štěpán, Johann Rudolf Zumsteeg.
Researcher for this page: Peter Rastl [Guest Editor]
This text was added to the website: 2017-07-09
Line count: 36
Word count: 201