by Karl Friedrich Müchler (1763 - 1857)
An die Ruhe
Language: German (Deutsch)
Neige dich von deinem Throne, du der Unschuld Trösterin, streu' aus deiner Zauberkrone mir auch Schlummerkörner hin, dass, nach schwer durchweinten Nächten mir mein ungetreuer Freund, kühlen Mohn in seiner Rechten, mit dem Abendstern erscheint. Wo du herrschest, wohnt der Friede, schläft der Leidenschaften Wut, wird der Geiz des Goldes müde, wallt des Wüstlings siedend Blut ruhiger durch jede Ader, heischt der Stolz kein Ordensband, schweigt des Neides blinder Hader, schwindet jeder Erdentand. Selten wohnst du in Palästen, wo der Tugend Keim verdorrt; das Geräusch von Hofesfesten scheuchet dich auf immer fort von der Fürsten Ruhekissen, wo die finst're Sorge wacht, die ein blutendes Gewissen oft zu Folterbänken macht. Wer nach falschen Würden geizet, wer, aus schnödem Durst nach Gold, ungetreue Flut durchkreuzet, lohnet nie dein süßer Sold! Auf der Leidenschaften Wogen, wie ein zweiter Tantalus ewig hin und her gezogen, sucht er, was er fliehen muss. Du vermeidest Marmorschwellen, raubst kein Erz aus tiefer Schacht, fliehst des Meeres falsche Wellen, bebst zurück vor Mord und Schlacht. Perus Schätze sind dir Bürde, deiner Wonnen frühes Grab, und statt Fürstenprunk und Würde wählst du dir den Hirtenstab. Du bewohnst des Landmanns Hütte, die der Kranz der Unschuld schmückt, wo der Einfalt Taubensitte jeden falschen Wunsch erstickt, tanzest bei des Abends Kühle in der Winzer frohen Reih'n, mischest gern dich in die Spiele unbefang'ner Kinder ein. Deine Gunst macht Sklavenketten leicht wie Amors Rosenband, Steine weich wie Schwanenbetten; deine zauberische Hand schafft aus öden Finsternissen Tempe und Elysium; Zähren, die verborgen fließen, wandelst du in Lächeln um. Wer, verkannt und unverschuldet, des Verfolgers Tyrannei, stolz auf inner'n Wert, erduldet, machst du selbst im Kerker frei. Dem, den eine Welt verachtet, der, gekränkt bis in den Tod, im Verborg'nen darbt und schmachtet, würzest du sein trock'nes Brot. Göttin, sei auch meinem Leben als Gefährtin zugesellt, lass mich deinen Sohn umschweben, der der Träume Füllhorn hält, dass er, wenn mein Auge weinet, meinen Mut durch Hoffnung nährt, bis sein Bruder mir erscheinet und die Fackel lächelnd kehrt.
J. von Dalberg sets stanzas 1, 3, 6, 9
Authorship:
- by Karl Friedrich Müchler (1763 - 1857), "An die Ruhe" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Johann Friedrich Hugo, Freiherr von Dalberg (1760 - 1812), "An die Ruhe", op. 25 (15 Deutsche Lieder) no. 15, stanzas 1,3,6,9 [ voice and piano ], Bonn, N. Simrock [sung text checked 1 time]
Researcher for this page: Johann Winkler
This text was added to the website: 2021-05-23
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