by Martin Drescher (1863 - 1920)
Geh heim
Language: German (Deutsch)
Erloschen ist des Tages letzter Schein, die Erde hüllen tiefe Schatten ein. Am Himmel jagt ein düstres Wolkenheer, scharf weht der Herbstwind über Union Square Scharf weht der Herbstwind, es gerinnt das Blut der müden Schar, die obdachlos hier ruht, die träumend hier sich auf den Bänken streckt, bis sie zu neuer Qual der Morgen schreckt. Auch ich gehöre heut' den Ärmsten an, ich habe nicht, da ich mich betten kann. Im Sturm des Lebens ist mein Kahn zerschellt, und meine Heimat ward die weite Welt. Den ganzen Tag strich ich umsonst umher, Arbeit zu finden, ist so schwer, so schwer. Nun brennt mein Hirn, das Herz ist müd' und krank, Willkomm'ne Rast gibt selbst die harte Bank. O Schlaf, du Bettlerfreund, erbarm' dich mein, komm, wieg' mich sanft in holde Träume ein! Schon nahst du, nimmst mich lächelnd bei der Hand und trägst mich fort, hinaus ins Heimatland. Es winkt das Elternhaus, der traute Herd, es grüßt der Mutter Kuß, so lang' entbehrt! Wie ruht's sich bei den Lieben weich und warm! – Da fasst's, da packt's, da rüttelt's mich am Arm. Ich taumle hoch – um mich zuckt trübes Licht – und starre in ein finsteres Gesicht. Des Parkes Wächter fährt mich drohend an: Geh heim! Dies ist kein Ort zum Schlafen, Mann! Geh heim! Wie mir das Wort im Herzen brennt, zu dem gesagt, der keine Heimat kennt. Geh heim! – Wohin? Da klingt ein müder Reim: Zum Armen-Friedhof! Dort, dort ist dein Heim.
Authorship:
- by Martin Drescher (1863 - 1920), "Geh heim" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Emil Nikolaus von Rezniček (1860 - 1945), "Geh heim" [ voice and piano ], from 3 Gesänge eines Vagabunden von Martin Drescher, no. 3 [sung text checked 1 time]
Researcher for this page: Johann Winkler
This text was added to the website: 2022-03-28
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