by Max Dauthendey (1867 - 1918)
Mai
Language: German (Deutsch)
Ich war im Maienabend am Bach, Der lief der buhlenden Dämmerung nach; Wohlgeruch tat auf den Grasspitzen stehn, Es mußten Veilchen im Abend umgehn. Gebückt ein Mädchen am Erdboden saß, Sie legte die blaue Schürze ins Gras; Sie griff ins Dunkel mit ihrer Hand, Wollüstig der Abhang voll Veilchen stand. Dunkler und dunkler ward es umher; Nur ihr Atem verriet sie, der ging so schwer. Ach, deine Augen, schönes Mädchen, Du hast die Wimper nicht gerührt, Und doch knüpftest du deine Fädchen, Hast mir mein Herz lässig entführt. Und schlägst du auch die Augen nieder, Mein Herz ließ ich noch nie im Stich; Zu meinem Herz wollen die Glieder, -- Noch heute nacht umarm' ich dich. Junger Mond schleicht in den Bäumen, Lautlos scheint ein Mensch zu wandern, Kommt auf blankem schlanken Schuh, Streicht von einem Baum zum andern. Ist ein jung vernarrter Mensch, Will das Herz der Liebsten holen; Und sein Schuh, der fing schon Feuer, Heißgelaufen sind die Sohlen. Feuer fangen auch die Bäume, Denn bald brennt der ganze Mann; Brennend sucht er nach der Einen, Die den Schuh ihm löschen kann. Hab' meinen Schatz geküßt, Daß auf seiner Wang' Eine rote Nelk' entsprang. Ei, mein Schatz macht heiß, Daß ich Feuer fang' Und ihn gut zu küssen weiß. Lebt ihr, weil man muß, Ich leb', weil man liebt, Weil vom Schatz ein Kuß Lust zum Leben und zum Sterben gibt. Du tust, wie frischer Morgen, Den heißen Gliedern wohl; Ich seh', voll Tau ohn' Sorgen, Den Tag, der werden soll. Frühlicht auf zarten Füßen Kommt durch die Nebel zum Bach; Wie jung Licht tust du grüßen, Denk' ich über dich nach. Hebst Lerchen über Auen, Daß sie zum Himmel bringen; Mein Herz wird ein Pünktlein im Blauen Und will sein Leben versingen. In den laubigen Buchenhecken Spielten wir wie zwei Blätter Verstecken; Haben geküßt und wenig gedacht, Wären gestorben und hätten gelacht. Lagen unter der Mondscheindecke, Nachtigall kam in die blaue Hecke; Nachtigall ist in den Mond verliebt, Weil er den Lippen die Herzen gibt. Nachtigall lockt die lautlosen Stunden, Bis zwei Lippen ein Herz gefunden. Es hingen, wie duftende Hände von Frauen, Blaß die Akazienblüten im Blauen; Sie streuten uns süße Betäubung aus, Die Füße fanden nicht mehr nach Haus. Wir suchten im Gras nach tiefgrünen Ecken, Wollten berauscht das Auge verstecken; Kein Versteck war uns dunkel genug, Weil's Auge Feuer ins Dunkel trug. Es hingen an Gittern die Rosen wie Tropfen, Wie Herzen, die schmachtend an Gitter klopfen; Vor Rosen fanden wir kaum das Haus, Rosen brannten das Auge aus. Und war' ich erblindet, war' dies geschehen, Ich müßte immer und ewig dich sehen, Denn keine Blindheit macht dunkel genug, Weil ich im Auge wie Feuer dich trug. Luftige Blumen im grünen Grund, Seid Hochzeitsbetten, an Seligkeit bunt. Solang' die Blume voll Honig lacht, Währt in den Betten die Hochzeitsnacht; Gehe ich an den Blumen vorbei, Wünsch' ich mir meine Liebste herbei.
H. Schalit sets stanzas 10-12
Authorship:
- by Max Dauthendey (1867 - 1918), "Mai", appears in Der brennende Kalender, first published 1905 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Heinrich Schalit (1886 - 1976), "Mai", op. 17 no. 5, stanzas 10-12 [voice and piano], from 6 Liebeslieder nach Dichtungen von Max Dauthendey, no. 5. [text verified 1 time]
Researcher for this page: Claus-Christian Schuster [Guest Editor]
This text was added to the website: 2010-06-17
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