by Heinrich Heine (1797 - 1856)
Den Paganini begleitete stets
Language: German (Deutsch)
Den Paganini begleitete stets Ein Spiritus Familiaris, Manchmal als Hund, manchmal in Gestalt Des seligen Georg Harris. Napoleon sah einen rothen Mann Vor jedem wicht'gen Ereigniß. Sokrates hatte seinen Dämon, Das war kein Hirnerzeugniß. Ich selbst, wenn ich am Schreibtisch saß Des Nachts, hab ich gesehen Zuweilen einen vermummten Gast Unheimlich hinter mir stehen. Unter dem Mantel hielt er etwas Verborgen, das seltsam blinkte Wenn es zum Vorschein kam, und ein Beil, Ein Richtbeil, zu seyn mir dünkte. Er schien von untersetzter Statur, Die Augen wie zwey Sterne; Er störte mich im Schreiben nie, Blieb ruhig stehn in der Ferne. Seit Jahren hatte ich nicht gesehn Den sonderbaren Gesellen, Da fand ich ihn plötzlich wieder hier In der stillen Mondnacht zu Cöllen. Ich schlenderte sinnend die Straßen entlang, Da sah ich ihn hinter mir gehen, Als ob er mein Schatten wäre, und stand Ich still, so blieb er stehen. Blieb stehen, als wartete er auf was, Und förderte ich die Schritte, Dann folgte er wieder. So kamen wir Bis auf des Domplatz Mitte. Es ward mir unleidlich, ich drehte mich um Und sprach: Jetzt steh' mir Rede, Was folgst du mir auf Weg und Steg, Hier in der nächtlichen Oede? Ich treffe dich immer in der Stund, Wo Weltgefühle sprießen In meiner Brust und durch das Hirn Die Geistesblitze schießen. Du siehst mich an so stier und fest - Steh' Rede: was verhüllst du Hier unter dem Mantel, das heimlich blinkt? Wer bist du und was willst du? Doch jener erwiederte trockenen Tons, Sogar ein bischen phlegmatisch: "Ich bitte dich, exorzire mich nicht, Und werde nur nicht emphatisch! "Ich bin kein Gespenst der Vergangenheit, Kein grabentstiegener Strohwisch, Und von Rhetorik bin ich kein Freund, Bin auch nicht sehr philosophisch. "Ich bin von praktischer Natur, Und immer schweigsam und ruhig. Doch wisse: was du ersonnen im Geist', Das führ' ich aus, das thu' ich. "Und gehn auch Jahre drüber hin, Ich raste nicht, bis ich verwandl In Wirklichkeit was du gedacht; Du denkst, und ich, ich handle. "Du bist der Richter, der Büttel bin ich, Und mit dem Gehorsam des Knechtes Vollstreck' ich das Urtheil, das du gefällt, Und sey es ein ungerechtes. "Dem Consul trug man ein Beil voran, Zu Rom, in alten Tagen. Auch du hast deinen Liktor, doch wird Das Beil dir nachgetragen. "Ich bin dein Liktor, und ich geh' Beständig mit dem blanken Richtbeile hinter dir - ich bin Die That von deinem Gedanken."
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Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), no title, appears in Deutschland. Ein Wintermärchen, no. 6 [author's text checked 1 time against a primary source]
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
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